«Mich plagt keine Flugscham»
In der neuen Rubrik «Check-in» beantworten Persönlichkeiten aus Kultur, Politik, Wissenschaft und Sport in jeder Ausgabe zwölf etwas andere Reisefragen. Im aktuellen Globetrotter-Magazin befragen wir Kurt Aeschbacher.
Ausgabe: 132
1. Welche drei Adjektive charakterisieren dich als Reisenden am besten?
Neugier, Offenheit, Gelassenheit. Ups, Entschuldigung: Das sind keine Adjektive, sondern Substantive. Aber sie beschreiben mich als Reisenden am besten.
2. Was war deine eindrücklichste Begegnung auf Reisen?
Ich habe Mühe mit solchen Superlativen. Reisen ist für mich immer der Versuch, sich auf Unbekanntes einzulassen und sich davon überraschen zu lassen.
3. Was kann dich auf Reisen aus der Fassung bringen?
Wenn Fluggesellschaften ihre Passagiere nicht wie Menschen, sondern wie anonyme Gepäckstücke behandeln, die man irgendwo stehen lassen kann, wie uns das kürzlich in Istanbul passiert ist.
4. Welche drei Gegenstände finden sich auf jeder Reise in deinem Gepäck?
Logo mein Smartphone, damit ich magische Momente einer Reise festhalten kann. Meistens ein Buch, das mir das Land, das ich besuche, näherbringt. Und Kleingeld, um spontan einheimische Menschen zu einem einfachen Essen einladen zu können und ihnen zuzuhören oder einem Kunsthandwerker etwas abzukaufen, was mich auch Jahre später an die Reise erinnert.
5. Was war das beste Essen, das du auf Reisen probiert hast?
Ich esse grundsätzlich das, was die einheimische Küche anbietet. Und dafür habe ich keine Bestenliste erstellt.
6. Was hat dich das Reisen gelehrt?
Die Demut vor anderen Kulturen, die uns lehren, dass man sein Dasein auch ganz anders leben kann. Oder muss.
7. Gibt es etwas, auf das du beim Reisen nicht verzichten kannst?
Vielleicht mit zunehmendem Alter auf ein bequemes Bett. Ich habe auf Steinen geschlafen, auf lehmigem, feuchtem Boden, in Hängematten. Heute bin ich froh, wenn ein anständiges Nachtlager bereitsteht.
8. Welche Apps nutzt du auf Reisen?
Keine.
9. Was ist dein Lieblingstransportmittel? Und warum?
Am liebsten erkunde ich eine neue Umgebung zu Fuss. Nur in diesem Tempo gelingt es mir, die Eindrücke einer Landschaft oder einer Stadt mit ihren Menschen wirklich aufzunehmen. Um aber ein entferntes Ziel zu erreichen, plagt mich allen Unkenrufen zum Trotz keine Flugscham. Ich versuche, im Alltag mein Leben umweltbewusst zu organisieren. Aber ich behalte mir vor, mir meine Reiselust und Neugier auf das Fremde nicht durch eine Meinungsdiktatur selbsternannter Apostel verderben zu lassen.
10. Wohin würdest du reisen, wenn du im Leben noch Zeit für genau eine Reise hättest?
Ich hoffe, dass ich die restliche Lebenszeit so nutze, dass ich nie den Gedanken habe, ohne diese eine nicht gemachte Traumreise abtreten zu müssen.
11. Wenn du ein Land wärst, welches wärst du?
Ich bin und bleibe ein Schweizer und bin dankbar, in einem Land leben zu dürfen, das mir demokratische Rechte garantiert, mich als Individuum respektiert und für politische Stabilität sorgt. Deshalb zahle ich auch gerne hier Steuern.
12. Was tust du, wenn dich der Kulturschock trifft?
Seit fast 15 Jahren bin ich als UNICEF-Botschafter in vielen Krisengebieten gewesen, die mich immer zutiefst betroffen machten. Ich habe gelernt, diese schrecklichen Eindrücke auf mich wirken zu lassen und zu versuchen, im Rahmen des Möglichen zu helfen. Dies im Wissen, dass sich die Welt nicht ändern lässt, aber dass konkrete Hilfe etwas verändert. Wenn traumatisierte Kindersoldaten betreut und resozialisiert werden. Wenn vergewaltigte Frauen medizinisch und psychologisch behandelt werden. Wenn unterernährte Kinder eine Chance erhalten, wenn Aidspatienten Medikamente erhalten… Ich komme dann von solchen Reisen zurück in die geradezu perfekte Schweiz und staune über die frustrierten Taxifahrer am Flughafen.
Kurt Aeschbacher (71)
ist eine Schweizer Fernsehlegende. Der Berner war ab 1981 für Schweizer Radio und Fernsehen SRF tätig und unter anderem in «Karussell», «Grell-pastell» oder «Casa Nostra» zu sehen. Seine wöchentliche Talkshow «Aeschbacher» ging ab 2001 nicht weniger als 785-mal über den Sender. Am 30. Dezember 2018 lief das Erfolgsformat zum letzten Mal. «Aeschbi», der in Zürich eine Bar betreibt, ist der erste Schweizer UNICEF-Botschafter.