Buntes Bilderkaleidoskop aus Myanmar, Thailand und Laos
Südostasien ist pulsierendes Leben, Sehnsuchtsregion und Reiseeldorado. Und ein Spielplatz für Alltagsabenteurer. Auf dem Kontinentalteil leben Völker mit einzigartigen Lebensweisen und einer Vielfalt kultureller Eigenheiten. Der Fotograf Claudio Sieber taucht auf seiner Reise um die Welt mit Vorliebe ins einfache Leben der Menschen ein. Mit seiner Kamera hält er aussergewöhnliche und auch ganz alltägliche Momente fest – mittendrin statt nur dabei.
Ausgabe: Nr. 119 Text & Fotos: Claudio Sieber
Jiraphat, Sepak-Takraw-Spieler in Bangkok, Thailand
Beim Schlendern durch Bangkoks Gassen laufe ich häufig an eine Partie «Sepak Takraw» heran. Dabei spielt es keine Rolle, ob es ein offizielles Spielfeld gibt. Auch der Hinterhof eines Gemüsemarktes oder eine Garageneinfahrt tun es. Selbst Bruce Lee würde staunen ob der akrobatischen Leistung der Kicker. Es wird gemunkelt, dass der Sport einer Militärübung aus dem alten China entspringt. Viele Sepak-Takraw-Spieler, wie der dynamische Jiraphat, trainieren täglich. Die bei uns nahezu unbekannte Sportart ist in Südostasien sogar Teil der Asienspiele, der «Olympischen Spiele des Ostens».
Pi Mai Lao, Luang Prabang, Laos
Noch einen Tag bis zum Jahr 2559 der buddhistischen Zeitrechnung. Man sagt, das buddhistische Neujahrsfest Pi Mai Lao in Luang Prabang sei das schönste, wenn auch nicht das traditionsreichste in ganz Südostasien. Verdächtig zivilisiert fängt es an mit «Baguette, beurre et confiture» – ein Erbe der französischen Besatzer. Kleine Kinder bewaffnen sich mit Wasserpistolen, «grosse Kinder» schleppen Bierkästen an, Mönche putzen die Tempelhöfe heraus, Fässer werden mit Mekongwasser gefüllt, Boxentürme in der Grösse von Monolithen in Plastik gewickelt. Dann beginnt der Wasserkrieg. Niemand wird verschont: Babyes, Mönche, Greise, fliegende Händler, vorbeifahrende Motorradfahrer – auch die Polizei nicht. Wann genau entschieden wurde, die spirituelle Reinigung in eine ausgelassene Wasserschlacht zu verwandeln, weiss heute anscheinend keiner mehr. Doch auch die besinnlicheren Traditionen werden gepflegt. Festlich gekleidet, besuchen die Laoten Tempel um Tempel, um auch die Buddhastatuen rituell mit Wasser zu reinigen.
Boun Bang Fai – Raketenfestival in Muang Sing, Laos
Ich schlendere durch das Dorf Muang Sing ganz im Norden von Laos. Es ist staubig und hat etwas von einer «Wildwestatmosphäre». Nicht unbedingt ein Ort zum Verweilen, würde in der Grenzregion nicht gerade das Boun Bang Fai gefeiert. Ein einmaliger Event, der nur in Laos und der thailändischen Region Isaan gefeiert wird. Mit dem Abfeuern von Bambusraketen wird die lang ersehnte Regenzeit begrüsst. Die bis zu 50 Meter langen Raketen können zum Preis von 100 bis 500 Franken erworben werden. Es gibt durchaus gut betuchte Leute, die sich diesen Plausch leisten, oder man tut sich als Gruppe zusammen. Der Käufer darf die Rakete auf einer der selbstgebauten Abschussrampen zünden. Die Reichweite entscheidet dann über Glück und Unglück im neuen Jahr.
Das Bergvolk der Akha, Provinz Phongsali, Laos
Die Akha sind eines der zahlreichen Bergvölker Südostasiens. Obschon heute eine Hochzeit stattfindet, tragen die Frauen ihren farbenfrohen Schmuck und die traditionelle Kopfbedeckung auch im Alltag. Die Silbermünzen, welche eingearbeitet werden, stammen aus der Kolonialzeit und sind ein Zeichen von Wohlstand. Heute tauchen auch viele Falschmünzen «made in China» auf. Kamla, der Bräutigam, hätte gerne ein Hochzeitsfoto, aber der Geisterglaube verbietet es. Letztes Jahr wurde ein Foto an einer Akha-Hochzeit gemacht, worauf jemand unerwartet verstorben ist. Kein gutes Omen. Bereits am frühen Nachmittag kommt das Dorf zusammen, ein Schwein wird geopfert. Der Schamane «liest» daraufhin dessen Leber, um zu sehen, was das Paar in der Ehe erwarten wird. Dann beginnen die Festivitäten für die Familie und die Gäste, denn dieser Tag gehört ganz ihnen. Das Brautpaar wird währenddessen ins Zimmer verbannt.
Tazaungdaing (Fire Balloon Festival) in Taunggyi, Shan-Staat, Myanmar
Jung und Alt ist gespannt: Das Tazaungdaing-Festival beginnt. Das erste von zehn Teams rollt mit einem voll beladenen Pick-up aufs Feld. Je nach Gusto der Teams werden die Heissluftballone entweder mit unzähligen Kerzen oder mit einer 50-Kilogramm-Ladung Feuerwerksraketen bestückt. Das Verrückte daran: Kaum sind die Ballone in der Luft, schiessen die Raketen los, willkürlich in jede Richtung. Da kann es schon mal die Zuschauermenge treffen. Die einzigen Sicherheitsvorkehrungen bestehen aus einem kleinen Feuerwehrtrupp, der im Notfall das Schlimmste verhindern soll. Und Notfälle gibt es jedes Jahr. Der Hintergrund des Festivals ist vielfältig: Die Regenzeit ist offiziell zu Ende, aber auch böse Geister wollen besänftigt werden.
Ley Mro River im Rakhaing-Staat, Myanmar
Die Region nahe der archäologisch bedeutenden Stadt Mrauk-U war bis vor Kurzem Sperrgebiet. Fremde hat man hier noch kaum gesehen. Ich reise mit einem Boot auf dem Fluss Ley Mro. Pittoreske Bambushäuser säumen das Ufer, an dem ich zwischendurch innehalte und unzählige kräftige Hände schüttle. Hände, die seit Jahrzehnten Bambus bearbeiten. Jeder, der hier lebt, hackt, verarbeitet oder verschifft das vielseitige Rohr. Der Markt ist immens: Snacks, Möbel, Kleider, Baumaterial, Brennstoff und Kosmetika werden damit hergestellt. Die ansässigen Chin haben sich entlang des Ley Mro ein kleines Bambusmonopol aufgebaut. Kaum geerntet, wird das Gut zum Ufer hinuntergerollt und zu riesigen Bambusflossen verschnürt. Darauf werden ambulante Schlafplätze und Zeltkombüsen installiert – eine praktische Art, die Ware zu befördern.
Chaw Su, Chin-Frau in der Region Mindat im Chin-Staat, Myanmar
Das Volk der Chin ist berühmt für seine Gesichtstätowierungen. Je nach Clan ziert eines von 17 verschiedenen Mustern – bestehend aus Linien, Punkten, Halbmonden oder schwarzen Flächen – die weiblichen Gesichter. Die Pfeife rauchende Chaw Su glaubt, dass nur, wer eine solche Tätowierung trägt, Einlass zum «Leben danach» erhält. Ein anderer Hintergrund ist die Legende, welche besagt, dass die Chin-Frauen, die im 19. Jahrhundert begehrte Konkubinen des Königshauses waren, mittels der Gesichtstätowierung die burmesischen Prinzen und ihre Schlepper erschrecken wollten. Mitte der Sechzigerjahre wurde der Körperkult von der burmesischen Regierung verboten, womit die Tradition mit den letzten tätowierten Frauen bald aussterben wird.
Mr. Sutthi, Tuk-Tuk-Fahrer, Bangkok, Thailand
Mr. Sutthi ist einer der über 10’000 Tuk-Tuk-Fahrer in Bangkok. Um Kunden zu werben und die günstigeren Taxis und Mototaxis auszustechen, müssen diese immer erfinderischer und kreativer werden. Deshalb hat Mr. Sutthi sein Tuk-Tuk in eine rollende Disco verwandelt. Wir feilschen um den Fahrpreis, ohne dass sich vorerst ein Sieger abzeichnet. Dann überrascht er mich mit einer verwegenen Preispolitik. Wir einigen uns auf eine Gratisfahrt bis vor die Haustüre, jedoch nicht, ohne unterwegs bei einem Massanzuggeschäft zu stoppen, wo ich mich als potenzieller Kunde etwas umsehe. Mr. Sutthi ist scharf auf die Benzincoupons, die er für die Vermittlung erhält. Solange für mich keine Kaufpflicht herrscht und ich das Spiel durchschaue, spiele ich gerne mit.
Poy-Sang-Long-Zeremonie, Mae Hong Son, Thailand
Als ich in Mae Hong Son, im Norden Thailands ankomme, wird gerade geschoren. Keine Schafe, nein, die Köpfe der Lämmlein Buddhas. Am nächsten Tag begleite ich Nathapong, einen Kokosnussverkäufer aus Chiang Mai, welcher sein «Juwelenkind» – auch die Knaben werden mit Schminke und viel Schmuck herausgeputzt – auf den Schultern von Pagode zu Pagode trägt. Genau so, wie auch Prinz Buddha vor seinem Pfad zur Erleuchtung auf einer Sänfte getragen wurde. Poy Song Lang ist eine alte Zeremonie der Shan-Ethnie zu Ehren der neuen Novizen, die ins Kloster eintreten. Die Gläubigen senden wenn möglich ihre Söhne – selten die Mädchen – im Alter von 7 bis 12 Jahren für einige Wochen ins Kloster, wo sie das Basiswissen des Buddhismus erlernen. Ein zweiter Aufenthalt steht dann vor Vollendung des 40. Lebensjahres an.
Mechaniker in Rattanakosin, Bangkok, Thailand
Beim Flanieren durch Rattanakosin, Bangkoks historisches Zentrum, können Liebhaber organisierter Städte nur staunen – oder davonrennen. Auf offener Strasse schweissen sich Mechaniker durch Tonnen von Metallschrott, Köche brutzeln allerlei Essbares in ihren Handwagen, Hobbyelektroniker reparieren weggeworfene Röhrenfernseher, und so manche Marktfrau ist hinter Bergen von Blumen kaum auszumachen. Ein Überleben ohne Chaos-Gen scheint mir hier unmöglich.
Über den Autor
Claudio Sieber ist Weltenbummler und Freelance-Fotograf. Seit über zwei Jahren ist der Ostschweizer unterwegs, um die Schönheit dieser Welt zu entdecken.