Ruhe im Paradies
Auf den Seychellen tummeln sich normalerweise Tausende Touristen. Aber auch dort hat die Corona-Pandemie alles verändert. Die Touristen bleiben aus, die Strände sind leer. Im September 2020 reiste die Fotografin Sandra Weller mit einem Freund los, um das Inselparadies vor der ostafrikanischen Küste von einer ungewöhnlich ruhigen Seite kennenzulernen.
Ausgabe: Onlinereportage Text und Fotos: Sandra Weller
Ich sitze in einem tropischen Garten, Vögel zwitschern, eine Katze schläft neben mir auf dem Stuhl. Die Sonne scheint durch die Blätter. Ich atme auf. Endlich! Ich bin auf den Seychellen!
Judith kommt in einem Blumenshirt, mit einer Blume im Haar und einem strahlenden Lächeln um die Ecke. Auf einem Tablett balanciert sie frische Fruchtsäfte und ein Fieberthermometer. «Es tut mir leid, aber wir müssen wieder Temperatur messen», entschuldigt sie sich. Das sind die Vorschriften. Täglich müssen ich und der Freund, mit dem ich reise, Fieber messen.
Judith ist Seychellois. Sie ist in Kenia aufgewachsen und kehrte vor zehn Jahren mit ihrem Mann Richard auf die Seychellen zurück. Sie kauften ein Stück Land auf Mahé, einer der Hauptinseln, und eröffneten 2018 ihr erstes Gästehaus. Es ist ein mit Liebe eingerichtetes Holzhaus mitten in einem tropischen Garten mit einem Naturpool aus Stein. Seit der Eröffnung war das Haus immer ausgebucht. Judith und Richard bauten schon an einem zweiten Haus, dann kam Corona und alle Buchungen wurden storniert.
Alles ändert sich
«Tomaten kosteten plötzlich drei Mal so viel», erzählt Judith. Auf die Seychellen werden viele Lebensmittel importiert. Als der Flugverkehr fast ganz zum Erliegen kam, stiegen die Preise. Die Regierung startete ein Programm, mit dem Landwirte unterstützt werden, damit sie mehr Obst, Gemüse, Gewürze und Getreide auf den Inseln anbauen können. «Jetzt sehen wir langsam die Resultate. Die Gemüsepreise sinken wieder», sagt Judith. «An manchen Dingen fehlt es zwar, aber wir haben hier alles, was wir brauchen: Fisch aus dem Meer und Früchte, die überall auf den Bäumen wachsen.»
Die Seychellen öffneten am 1. August 2020 wieder ihre Grenzen. Touristen aus bestimmten Ländern, darunter auch Deutschland und die Schweiz, durften mit einem negativen PCR-Test einreisen. Zudem benötigten wir eine Bestätigung unserer gebuchten Unterkünfte, die nach einem speziellen Hygienekonzept zertifiziert sein mussten. Die Einreise mussten wir über eine App beantragen. Ob wir wirklich fliegen durften, erfuhren wir erst einen Tag vor Abflug.
Und nun sind wir seit ein paar Tagen zu Gast bei Judith und Richard auf Mahé und geniessen das Paradies. Die beiden sind eigentlich optimistisch, trotzdem bereitet es ihnen Sorgen, dass die Regierung alle zwei Wochen die Einreiseregeln ändert. Gerade wurde die aktuelle Liste veröffentlicht. Einige der zuvor erlaubten Länder wurden wieder wegen zu hohen Corona-Zahlen von der Liste gestrichen. Das bedeutet für Judith und Richard, dass es viele Stornierungen geben wird.
Willkommen auf Praslin
Als wir am nächsten Tag auf die Nachbarinsel Praslin weiterreisen, winken uns Einheimische aus ihren Autos zu und rufen: «Schön, Touristen zu sehen!» Wir fühlen uns willkommen. In den meisten unserer vorgebuchten Hotels sind wir die einzigen Gäste. Deswegen bekommen wir überall Upgrades und ziehen von einer Villa in die nächste. Nur vereinzelt treffen wir auf andere Touristen. Es sind meist Paare, die ihre Flitterwochen vor Beginn der Pandemie gebucht hatten. Fast alle Restaurants sind geschlossen und die Hotels an dem sonst so beliebten Strand «Anse Volbert» sind ebenfalls fast alle zu.
Auf der Trauminsel La Digue sind wir wieder fast ausschliesslich unter Einheimischen. Wir nehmen an ihrem Leben teil, kochen selbst und lernen ein paar Worte der Landessprache Kreolisch. Auch hier sind die Strände traumhaft leer. «Es ist fast wie vor 30 Jahren», erzählt Anis begeistert, ein Seychellois mit indischen Wurzeln. Er erklärt uns, dass sich in den letzten Jahren manchmal, wenn Kreuzfahrtschiffe vor La Digue geankert haben, bis zu 800 Leute auf einmal an dem kleinen Strand «Anse Source d’Argent» tummelten.
Laut der Online-Plattform Trading Economics waren im Februar 2020 insgesamt 38114 Touristen auf den Seychellen, im April waren es noch 22. Im August stieg die Zahl dann wieder auf 2072 Touristen. Kreuzfahrten sind seit Beginn der Pandemie bis 2022 verboten, auch auf den Seychellen ankern keine Schiffe.
Erholung für die Natur
Anis bietet Ausflüge mit seinem Boot an. Wenn wir daran teilnehmen möchten, müssen wir warten, bis er genügend Interessenten gefunden hat. Er ruft uns dann an. Einfach buchen können wir nicht. Manchmal gibt es noch ein deutsches oder ein schweizerisches Paar, die bei seinen Touren dabei sind, aber meistens sind es Einheimische, die von den anderen Inseln zu Besuch kommen. So auch Pascale aus Mahé, der als Skychef gerade nicht viel Arbeit hat. Er erzählt uns, dass er jetzt zum ersten Mal die Zeit habe, sein eigenes Land zu entdecken. Viele Seychellois nutzen diese Chance, nehmen an Ausflügen teil und besuchen die Strände, die normalerweise Touristen aus aller Welt für sich beanspruchen.
Wir machen einen Schnorchelausflug mit Anis. Er erzählt uns, dass vor der Pandemie bei den vorgelagerten Inseln manchmal bis zu sechs Touristenboote gleichzeitig ankerten. Wir haben die Inseln und die Riffe für uns alleine und sehen Rochen, Schildkröten, Haie und die buntesten Fische, die man sich vorstellen kann. «Diese Vielfalt hat man vorher nicht so einfach gesehen», sagt Anis und strahlt. Er freut sich über die positiven Auswirkungen für die Natur. Für sein Geschäft ist die Situation natürlich weniger erfreulich.
Die Seychellen sind paradiesisch. Wir verbringen einen Traumurlaub. Vielleicht auch gerade deswegen, weil die vorherigen Monate in Deutschland so hart waren, habe ich die grandiose Natur der Seychellen umso intensiver wahrgenommen. Ein einzigartiges Erlebnis, das sich trotz den Einschränkungen und Unsicherheiten gelohnt hat.
Über die Autorin und Fotografin
Sandra Weller ist Fotografin und Reisejournalistin. Sie bereist die Welt mit ihrer Kamera seit 20 Jahren. Ihre Reisen brachten sie schon in die entlegensten Ecken der Welt. Manchmal blieb sie länger – wie beispielsweise in Indonesien und Thailand. Jetzt lebt sie in Frankfurt. Von der Schönheit der Seychellen war sie begeistert.